Bosnien | Bosnia - Part 33 (Wahlen 2006)

posted by nedad on 2006/09/28 21:45

[ Bosnien | Bosnia ]

Etwas, was der österreichischen und europäischen Leserschaft vielleicht nicht bekannt sein mag: In Bosnien-Herzegowina werden am gleichen Tag wie in Österreich, nämlich am 1. Oktober 2006, die allgemeinen Wahlen stattfinden. Es werden die drei Mitglieder des bosnisch-herzegowinischen Präsidiums, das bosnisch-herzegowinische Parlament sowie die Parlamente der beiden Entitäten (Föderation Bosnien-Herzegowina und Republika Srpska) gewählt. In diesem Blog wird versucht, in den nächsten Tagen die wichtigsten Ereignisse in Bezug auf die Wahlen 2006 zusammenzufassen.
Gerade in der Wahlzeit hat ein bosnisch-herzegowinischer Minister aus der Föderation alle Politiker aufgefordert, alle Einladungen aus den Botschaften, deren Länder ein Visaregime gegen Bosnien-Herzegowina unterstützen, abzuschlagen. Angesichts des allgemeinen Frusts der bosnischen Bevölkerung (und des Autors dieser Zeilen) hinsichtlich der "Visafrage" scheint dieser "Appell" durchaus gerechtfertigt. Es ist leider seit langem eine Tatsache, Europa führt eine ziemlich scheinheilige Politik gegenüber Bosnien-Herzegowina: Einerseits werden rasche und umfassende Reformen und die "Annäherung" an die EU propagiert, andererseits wird bestimmten Volks- und Religionsgruppen (Bosniaken, Serben) Bosniens die Reisefreiheit verweigert. Wie auch Patrik Volf in seinem Blog auf dem Portal oe24.at schreibt, ist diese EU-Politik nicht nachvollziehbar. Warum werden manche Länder des Westbalkans ausgegrenzt, ist heute mehr denn je eine prekäre Frage, deren Antwort die EU konsequent ausweicht. Wie es aus einer kürzlich veröffentlichten Aussendung des Bosnischen Außenministeriums heißt, habe die EU noch nicht einmal Bedingungen genannt, die BH erfüllen muss, um auf die sog. "Weiße Schengener Liste" zu gelangen. Laut dieser Aussendung sei die EU nicht bereit, auch in den zwei nächsten Jahren das diskriminierende Visaregime aufzuheben. Inoffiziell fürchtet sich die EU einer "Migrationswelle" aus dem Land. An dieser Stelle müsste sich jeder halbwegs intelligente Mensch, der Anspruch auf Objektivität erhebt, fragen, warum sich die EU nicht vor einer Migrationswelle aus bspw. Bulgarien und Rumänien, zwei bei weitem bevölkerungsreicheren Ländern als das 3,5 Millionen Einwohner große Bosnien-Herzegowina, gefürchtet hat? Nach jüngsten Regierungsangaben hat der Kanton Sarajevo ("Kanton" entpricht verfassungsmäßig in etwa einem österreichischen Bundesland) ein deutlich größeres Wirtschaftswachstum als Rumänien und Bulgarien. Die Einkommenshöhe ist auch deutlich größer.

Bei einer Rede vor dem Wiener Publikum vor ein paar Tagen hat der Hohe Repräsentant der EU und der Internationalen Gemeinschaft in BH Christian Schwarz-Schillig mehrmals betont, es sei wichtig, dass die bosnischen Politiker das Schicksal des Landes in ihre Hände nehmen. Seine ganze Rede war ein mehr als deutlicher Ausdruck der gegenwärtigen EU-Politik gegnüber diesem Land: Diese Politik kann sich nur "Ahnungslosigkeit" nennen. Die EU hat keine Ahnung, was mit dem Experiment Bosnien zu tun wäre. Die Internationale Gemeinschaft hat zehn Jahre lang nicht Bosnien geholfen, sich vom Krieg wirtschaftlich zu erholen. Und Europa konnte das, alle Hohen Repräsentanten mit ihren Befugnissen und ihrer endlosen Macht konnten das. Nun sind ausgerechnet die Bosnier und die Herzegowiner schuld, dass ihr Land wirtschaftlich unterentwickelt ist und eine der Folgen ist das Visaregime, worunter absurderweise auch die bosnischen Unternehmen leiden. Eine "unglückliche Verkettung der Umstände", würden manche sagen... Bis wann Europa eine solche Politik führen will, will sie den Bosniern nicht verraten. Was man weiß, ist die Tatsache, dass sie sich auf die weitere Entwicklung des Landes und für die allgemeine Atmosphäre darin negativ auswirkt. Die Schuld an der politischen und wirtschaftlichen Misere Bosniens trägt auch Europa. Hat sie eingentlich seit 1992 konsequent getragen...


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